Chris Whitaker - In den Farben des Dunkels

Der neue Roman von Chris Whitaker ist ein Must-Read! Der Einstieg in die Geschichte ist hart: Der dreizehnjährige Patch, von allen nur „der Piratenjunge“ genannt, da er von Geburt an einäugig ist, kommt seiner Mitschülerin Misty zur Hilfe, als ein Mann sie in seinen Lieferwagen zerren will. Misty kann entkommen, aber Patch wird entführt und 307 Tage lang in völliger Dunkelheit gefangen gehalten. Dass Patch schließlich befreit wird, hat er seiner einzigen Freundin Saint zu verdanken. Sie, die seit seinem Verschwinden kaum noch isst oder schläft, gibt die Hoffnung nicht auf und bewegt sich wie ein Köder dicht am Highway entlang. „Wenn der Mann noch auf der Jagd war, wollte sie selbst entführt werden.“

Schließlich ist es tatsächlich Saint, die den entscheidenden Hinweis liefern kann, so dass Patch befreit wird. Sein ganzes Leben danach wird bestimmt von der Suche nach Grace, dem Mädchen, das ihm während der Gefangenschaft mit ihren bunten Erzählungen über das Leben Licht in die Dunkelheit gebracht hat. Doch gibt es Grace wirklich oder ist sie nur das Phantasie-Produkt des traumatisierten Jungen? Patchs Suche grenzt an Besessenheit, und genauso besessen war ich nach kurzer Zeit von diesem Buch; ich habe in jeder freien Minute gelesen und die Nacht zum Tage gemacht.

Es ist eine Art Kriminalgeschichte, aber vor allem die Geschichte einer tiefen Freundschaft, denn die Einzige, die Patch die ganze Zeit unterstützt und an ihn glaubt, ist Saint. Ganz besonders gefallen haben mir die wunderbaren Nebenfiguren wie zum Beispiel Saints grummelige Großmutter Norma, der gütige Chief Nix und die wunderschöne und steinreiche Misty, von der alle denken, dass sie nur aus Dankbarkeit oder Schuldgefühlen nett zu Patch ist. Dabei ist es eine wirklich tiefe Liebe, die die beiden später verbindet, auch wenn sie niemals richtig zusammen sein können, da Patch rast- und ruhelos durch die Land zieht. Immer auf der Suche nach Grace und in der Hoffnung, auch den Familien der vielen anderen verschwundenen Mädchen helfen zu können.

Die Person, die mir aber am meisten ans Herz gewachsen ist, ist der Galeriebesitzer Sammy. Er ist eine schillernde und auf den ersten Blick eher unsympathische Figur, aber wie er Patch im Stillen und ohne viel Aufhebens all die Jahre zur Seite steht, hat mich sehr berührt. „In den Farben des Dunkels“ ist wie ein riesengroßes Puzzle, bei dem sich ganz langsam Stück für Stück zum Gesamtbild zusammensetzt. Wenn man am Schluss weiß, wie alles zusammenhängt, ist man einfach nur glücklich. In diesem wunderbaren Roman malt nicht nur die geheimnisvolle Grace eine ganze Welt für Patch – Chris Whitaker malt sie für die Leser*innen – einfach großartig!